Ich fange mal mit meinen persönlichen, und deshalb vielleicht etwas überzeichneten Eindrücken an:
Wir waren das letzte Mal vor 6 Jahren zu Weihnachten auf Sardinien (also viel zu selten), davor einige Male zu Weihnachten an anderen Stellen Italiens und jedesmal fremdele ich etwas im Vergleich zur "DEUTSCHEN" Weihnacht, weil anderes, als gewohnt.
Deutschland zu Weihnachten,
das bringe ich mit dunklen Tagen, schlechtem Wetter, aber auch mit Weihnachtsmusik ( oder -geplärre aus den Einkaufszentren), Weihnachtsmärkten, Glühweingeruch, Lichterketten in den Innenstädten, überquellenden Lebensmittelangeboten, gestressten Menschen im hektischem Treiben in den Vorweihnachtstagen, Reisende, die zur Familie zurückkehren etc. in Verbindung. Man wird also schon über Wochen auf Weihnachten "eingestimmt", ob man will, oder nicht. Das Ganze gipfelt in den "Heilig Morgen", dem Zenit des Last-Minute-Geschenkeeinkaufs, die Lebensmittelabteilungen sind geplündert, Deutschland steht vor drei Tagen geschlossenen Geschäften und einem drohenden Versorgungsnotstand.
Und überall herrscht noch mehr Hektik, als schon zuvor.
Irgendwie so ab 16:00 Uhr am Heiligen Abend wandelt sich das Ganze in einen schweren, ruhigen und bemüht feierlichen Weihnachtsmodus, der dann in Geschenke auspacken, leckerem Essen mündet und für anschließende weitere 2.5 Tage Essen, Geschenke auspacken und Verwandschaftsbesuche anhält. Dazu sitzt man im Auto und eilt mit Päckchen und Geschenken in andere Orte und kehrt am Abend mit neuen Päckchen nach Haus zurück. Das Ganze geht am ersten Tag nach Wiedereröffnung der Geschäfte in eine Umtausch- und Gutscheineinlösorgie über. Oder man bricht in den Skikurzurlaub auf, was alle andern natürlich auch zeitgleich tun. Schließlich muss man die Tage gut ausnutzen. Kurz danach ist das Jahr um. Für mich ist es so, dass der auf 3 Tage begrenzte Weihnachtsmodus die Hektik davor und danach allenfalls unterbricht. Runterkommen ist in diesen Tagen für mich schwierig bis unmöglich.
Sardinien zu Weihnachten:
das ist für mich, einen Tannenbaum und dezenten Baumschmuck aus Deutschland mitzubringen, weil ich keine chinesischen Plastikbäume mag und Weihnachtsbaumverkauf auf Sardinien offenbar keine große Relevanz besitzt. Die Flughäfen sind im Vergleich zum Sommer menschenleer, die Straßen auch und das Leben scheint nicht viel anders, als sonst auch.
Weihnachtsmärkte, festliche Beleuchtung,winterliches Wetter--- Fehlanzeige oder nur in Spuren erkennbar.
Dafür aber LED-Vierfarb-Klimperbeleuchtung in den Geschäften, die am Heiligen Abend wie immer bis 20 Uhr aufhaben und die Sarden bis dahin arbeiten, einkaufen und mit Weihnachten offenbar nicht viel am Hut haben. Im Unterschied zu Deutschland: Der Panettone darf im Supermarkt nicht fehlen, dazu irgenwelche Ferrero-Monsterschokoladenerzeugnisse für die Bimbi. Alles läuft irgendwie ruhiger, fast wie in Slow-Motion im Vergleich zu Deutschland ab. Und irgendwie färbt das auch auf mich ab.
Die Christmesse um 23:00 Uhr läutet dann Weihnachten ein, der Abend bis dahin entspannt, aber eben auch noch nicht besonders festlich. Danach geht man schlafen und am 25.12., dem ersten Weihnachtstag, werden vor dem offenen Kamin die Geschenke ausgepackt, die meist deutlich sparsamer ausfallen, als in Deutschland. Dabei dreht sich schon das Carne arrosto auf dem Spieß und die Pasta al Forno (Lasagne) wird in den Ofen geschoben, für die die Signora di Casa schon früh aufgestanden ist. Irgendwer hat auch den mitgebrachten Baum geschmückt.

Schwiegervater füllt den selbstgemachten Wein auf, der Tisch wird festlich gedeckt und im Hintergrund hält der Papst im Fernsehen seine Weihnachtsmesse. Irgendwie ist Weihnachten angekommen, aber anders.
Nachdem man sich nach dem Essen, auch wg. des Panettones, des Limoncellos und trotz des Cafes nicht mehr bewegen kann, lockt vielleicht der ein oder andere Sonnenstrahl zu einer passeggiata, vielleicht sogar zu einem kurzen Besuch am Meer. Die Verwandschaft wohnt um die Ecke, man schaut vielleicht zu Fuß vorbei, aber ohne Geschenke und großen Klimbim. Und am Folgetag, auch wenn ich das nicht besonders freundlich für die Angestellten finde, sind die Bäckereien und Lebensmittelläden geöffnet. Schwiegervater fährt wieder zu seinen Tieren aufs Land und am Abend ist Weihnachten dann still und leise ausgeklungen.
Weihnachten auf Sardinien, das ist für mich Entschleunigung und Familie, welches ich besonders dann genießen kann, wenn ich es nicht mit Deutschland vergleiche. Es einfach mitzuerleben, ohne es komplett "Deutsch" machen zu wollen. Aber ein ganz klein wenig schon
